Es gibt (noch) ziemlich viele Argumentationen, die sich gegen die
Elektromobilität richten. Diese lassen sich ganz grob in drei Bereiche
unterteilen: Ökonomie, Ökologie und Komfort. In diesem Artikel soll es
zunächst nur um die Ökonomie gehen. Die Fragestellung ist dabei relativ
einfach: welche ökonomischen Argumente gibt es für oder gegen die
Elektromobilität? Das sollte dann auch die Leute erreichen, die mit
Begriffen wie Klimawandel oder Umweltschutz eher wenig Berührungspunkte
haben.
Es schwirren dabei einige -sagen wir mal interessante- Aussagen durch die Gegend. Alle zielen darauf ab, alleine die Möglichkeit des Umbaus der Mobilität in Richtung Elektroantrieb in Frage zu stellen. Und nur die wenigsten davon liefern irgendwelche Belege für die jeweilige Aussage. In Bezug auf Ökonomie laufen sie aber alle in eine Richtung: "Elektrofahrzeuge werden sich nicht durchsetzen: sie sind technisch unterlegen, ökologisch nachteilig und viel zu teuer".
Über Technik und Ökologie wird in anderen Beiträgen diskutiert. Abgestimmt wird aber am Ende oft
hauptsächlich mit der Brieftasche. Dann machen wir jetzt mal den Faktencheck. Alle
Links auf Quellen finden sich am Ende des Textes.
Bevor es richtig losgeht, soll hier aber zunächst ein kleines Gedankenexperiment stattfinden. Man stelle sich vor, es sei das Jahr 1888 und man begegnet einer Dame auf einem sehr ungewöhnlichen Gefährt: eine Kutsche ohne Pferde, aber mit Motor. Die Dame erklärt, ihr Name sei Bertha Benz dies sei die Zukunft der Mobilität.
Was hätte man (rein ökonomisch!) entgegnen können? Hier ein paar Beispiele:
"Alle paar Kilometer Benzin kaufen? Beim Apotheker? Das ist doch was für reiche Leute.""
"In jedem Dorf beim Schmied anhalten, weil irgendwas kaputt ist?"
"Und was der nicht kann, muss ich selber machen? Ich bin doch kein Handwerker."
"Wo bekommen Sie all die Kutscher her, wenn das soviele Fahrzeuge werden, wie Sie denken?"
"Wieviel teurer ist so ein Motor gegenüber einem Pferd in Anschaffung und Unterhalt noch mal?"
"Wenn
das tatsächlich mehr Leute machen, wie kommen die an all die
Betriebsstoffe? Öl gibt es doch nicht an jeder Ecke."
Zinnggg
- Sprung ins hier und heute. Leider können wir heute nicht mehr in
Erfahrung bringen, was sich Frau und Herr Benz & Co. genau alles
anhören und lesen mussten. Aber jedenfalls kam es ganz anders. Wenden
wir uns damit mal dem derzeitigen Stand zu.
Bevor es zu den oben genannten Punkten und der Frage der betriebswirtschaftlichen Kosten für den Einzelnen geht, vorher noch etwas Volkswirtschaft.
Etliche Staaten haben finanzielle Interessen in diesem Spiel. In Europa
gibt es noch 2 grosse Autonationen, Deutschland und Frankreich. Italien
darf noch etwas mitspielen, der Rest (GB, Schweden, Spanien,
Tschechien...) ist fest in deutscher, französischer, chinesischer und
indischer Hand (Jaguar, Saab, Volvo, MG...). Das bedeutet: die Produktion ist
auf Export ausgerichtet, der einheimische Markt kann die Produktion bei
weitem nicht aufnehmen. Die Produktion deutscher Fabriken wird zu etwa
75% exportiert, das Meiste davon nach Europa; in den grösseren Märkten
ausserhalb (USA, China, Südafrika, Mexiko...) gibt es eigene Fabriken.
Deutschland führt die weltweite Exportstatistik bisher mit weitem
Abstand an. [Ergänzung 8/2024: das ist erledigt, China ist jetzt vorne.]
Der Punkt ist: der Rest der Welt wartet nicht auf uns.
Viele europäische Länder -darunter auch die wichtigeren Abnehmer GB, NL
und B- haben bereits ein Verbot für nicht klimaneutrale Fahrzeuge erlassen. Norwegen macht 2025
(in 4 Jahren!) den Anfang, 2030 kommt dann die nächste Welle. Im
weltweitgrössten Automarkt China gilt eine Regelung, nach der jeder
Hersteller einen Elektroanteil von mindestens 20% erreichen muss, es
gibt dort mittlerweile über 500 registrierte Hersteller von
Elektrofahrzeugen. Im Gespräch ist dort ein Verbot für 2035. Wer soll also noch die deutschen Verbrenner kaufen?
Frankreich versucht übrigens, das über eine Sondersteuer nach Gewicht
zu regeln, die speziell auch deutsche Fahrzeuge belasten wird. Noch
nicht berücksichtigt sind hier die Überlegungen der EU zur Einführung
einer Euro-7-(Abgas)Norm.
Zuletzt gab es Forderungen nach einem staatlichen Verbrennerrabatt mit Elektrogutschein nach 3-5 Jahren. Wer also jetzt einen Verbrenner kauft, soll demnach auf Steuerzahlerkosten einen Gutschein für den Kauf eines Elektrofahrzeuges in 3-5 Jahren erhalten. Volkswirtschaftlich bedenklich (der Strukturwandel würde verschleppt) kann das auf den ersten Blick industriepolitisch Sinn machen. Die deutsche Autoindustrie ist derzeit noch nicht in der Lage, die stark steigende Nachfrage nach Elektromobilen zu befriedigen, was nach Ablauf dieser Zeit anders aussehen dürfte. Problematisch sind aber 3 Punkte:
- zum Ersten wird damit das Problem der Strafzahlungen an die EU noch verschärft, denn mehr Verbrenner bedeutet höhere CO2-Werte. Die Konsequenz wäre, dass letztlich der Steuerzahler die Strafzahlungen der Hersteller bezahlt.
- zum Zweiten würden davon besonders ausländische Marken mit kleineren Fahrzeugen stark profitieren, wie seinerzeit von der 'Abwrackprämie'.
- und zum Dritten erreicht man letztlich in deutschen Fabriken nur den deutschen Absatz, also lediglich 25% der Produktion.
Einwände gibt es ebenfalls bezüglich der
Infrastruktur. Volkswirtschaftlich sind diese aber recht überschaubar,
da Ladesäulen (ausser Schnellladern) wesentlich billiger sind als
Tanksäulen und Stromleitungen billiger als Pipelines, Öltanks oder
Tank-LKW. Spezielle Ladeparks sind bereits im Aufbau; sie sind
vollautomatisiert und erzeugen übrigens meist ihren Betriebsstrom selbst.
Individuell muss man für Bequemlichkeit bezahlen, wenn man zu Hause per
Wallbox schneller laden will oder muss. Insgesamt hält sich das im
Rahmen, zumal es auch hier -zumindest derzeit- einen Zuschuss vom Bund
und manchen Ländern gibt.[Ergänzung 12/2021: diese Regelung ist entfallen]
Damit geht es zur Betriebswirtschaft,
also den individuellen Fahrzeugkosten. Dass ein Elektrofahrzeug im
Unterhalt billiger ist, dürfte sich herumgesprochen haben. Längere
Wartungsintervalle und weniger Verschleissteile (z.B. kein Kühler,
Auspuff, Lichtmaschine, Motor, Kat...) führen zu wesentlich geringeren
Wartungskosten. Logischerweise sind die Kosten für einen Service
ebenfalls niedriger. Und dieser findet auch seltener statt: den Vogel
schiesst hier bisher der chinesische Hersteller Aiways ab. Für das seit
kurzem erhältliche Modell U5 verspricht er ein Intervall alle 100.000 km
(!) - egal wie lange man dafür braucht; bei durchschnittlich 15.000
km/Jahr also etwa alle 6,5 (!) Jahre. Und bei Tesla gibt es zurzeit
keine fixen Termine, nur Empfehlungen. Die meisten etablierten
Autohersteller sind mit 2-Jahres-Zyklen natürlich konservativer - schon
weil sie ein Händler- und Wartungsnetz auslasten müssen. Aiways hat
dafür in Deutschland einen Vertrag mit der Kette ATU abgeschlossen, hat
also gar keine entsprechenden Fixkosten. [Ergänzung 12/2024: Aiways hat sich mittlerweile vom deutschen Markt zurückgezogen]
Entspannt ist bisher auch
das Verhältnis des Elektrofahrers zu Versicherungen, Beispiel ID.3: ein
Fahrzeug mit 150 kW und Neupreisen zwischen 30-40 TEUR kostet Vollkasko
in SF20 etwa €200-250 pro Jahr und damit deutlich weniger als
vergleichbare Verbrenner. Und über Steuern redet der Elektrofahrer
sowieso nicht, bis 2030 steht die schwarze Null.😎 Dass man damit auch
an vielen Orten noch umsonst parken oder sogar laden kann, ist hier nur
das Sahnehäubchen. [Ergänzung 2/2025: kostenloses Parken gibt es nur noch bei Ladevorgängen, die Versicherungen sind mittlerweile teuerer, aber immer noch billiger als bei Verbrennern]
Dasselbe gilt ebenso für die Kosten des
reinen Fahrens. Der ADAC hat die bisherigen Erkenntnisse zum Thema schön
zusammengefasst (alle Daten gelten für den Duchschnittsfahrer). Auf
Basis heutiger Spritpreise sind Benziner demnach schon jetzt wesentlich
teurer, Diesel dagegen gleichauf. Diesel ist allerdings auf historisch
niedrigem Niveau, während der Strompreis in Deutschland der zweithöchste
in Europa ist. Es ist in der Diskussion, den Strom für Elektromobilität
von der EEG-Umlage zu befreien; wenn das kommt, hat sich auch das
erledigt.
Damit kommen wir zur Betrachtung der
Dieselsubvention. Und ja, der Gesetzgeber listet die 20 Cent, die auf
einem Liter Diesel weniger an Steuern liegen, nicht als Subvention.
Forderungen nach der Abschaffung wurden schon öfter erhoben, bisher aber
immer erfolgreich von der Autolobby und den Wirtschaftsministern
einzelner Bundesländer (die hier wohl nicht aufgezählt werden müssen 😈)
abgebügelt. Aber die Front bröckelt, denn der Diesel ist eine
überwiegend deutsche Sache - und bis September 2020 betrug der der
Marktanteil des Diesels nur noch 25,6% nach 32% in 2020. Von den einst
stolzen teilweise 50%+ ist also schon jetzt nur noch wenig übrig. Im
Oktober lagen die Neuzulassungen für Elektrofahrzeuge (Stromer und
Plug-In-Hybride) sogar erstmalig über denen der Diesel. Und
sobald die Besteuerung auf CO2-Werte verschärft und mit Beginn 2021 der
Steuervorteil langsam abgeschmolzen wird,... das kann sich jeder selbst
ausrechnen.
Bleiben noch die Anschaffungskosten. Dazu muss man wissen, dass im Autobau der Herstellungspreis extrem
stark mit der Stückzahl skaliert. Kleine Stückzahlen führen zu
überproportional hohen Preisen, grosse Stückzahlen zu dramatischen
Kostensenkungen. Die etablierten Massenhersteller haben deswegen anfangs
versucht, vorhandene Verbrenner aus der Grossserie umzubauen (nun ja,
das erste Auto von Frau Benz war auch eine umgebaute Kutsche 😒). Das
hat überwiegend nicht gut geklappt, weil das im Endeffekt trotzdem
Kleinserienbau war und somit nicht Kernkompetenz. Dazu sollten diese
Umbauten eigentlich wohl auch nicht wirklich Erfolg haben; der
profitablere Verbrenner war wichtiger. Somit waren die ausgelobten
Preise praktisch aller Hersteller politische Preise, die nichts mit den
Herstellungskosten zu tun hatten (für Wasserstoffautos gilt das übrigens
immer noch).
Mittlerweile gibt es aber reine
Elektroplattformen, diese profitieren in jeder Hinsicht von der neuen
Ausrichtung: bessere CW-Werte, bessere Lage der Batterien, bessere
Raumaufteilung, weniger Platzverschwendung im Motorraum etc. Und
natürlich wesentlich grössere Serien, die einen z.T. drastischen
Preisverfall erwarten lassen. Selbst, wenn man den rasanten technischen
Fortschritt ausser acht lässt, der vor allem auch die Batteriepreise
sinken lässt.
Ist also die Anschaffung eines
Elektrofahrzeuges -jetzt, Ende 2020- "teuer"? 😏 Mal sehen: im Jahr 2019
kostete ein neues Auto im Durchschnitt knapp €35.000. Mit den
derzeitigen Prämien bekommt man für diesen Preis eine Elektroneufahrzeug
der unteren Mittelklasse (z.B. VW ID.3, Kia eNiro, Hyundai Kona). Etwas
kleinere Fahrzeuge (z.B. Opel eCorsa, Peugeot 208e) liegen deutlich
darunter, etwas grössere (z.B. Aiways U5, Skoda Enyak, VW ID.4) sind in
Vorproduktion und werden in Kürze dafür zu haben sein. Wer es billiger
will, kann entweder auf den Renault ZOE zurückgreifen (neu um €20.000,
gebraucht ab unter €10.000) oder z.B. auf den für Mitte 2021
angekündigten Dacia Spring warten (erwarteter Neupreis ab etwa €10.000
inkl. Prämie). Soviel zu den Relationen. Abenteuerlustige können
voraussichtlich noch in diesem Jahr die ersten Fahrzeuge chinesischer
Produktion kaufen, deren Preise sich ebenfalls in diesen Dimensionen
bewegen sollen.
Beim direkten Preisvergleich (z.B. eGolf vs.
Golf 7) ist es beliebter Trick, die meist sehr gut ausgestatteten
Elektrofahrzeuge (z.B. haben fast alle eine Standheizung/Vorkühlung,
Automatikgetriebe, diverse Assistenten, adaptiven Tempomaten etc.) mit Basismodellen
von Benzinern zu vergleichen. Rechnet man die genannten Extras mit ein,
sieht die Rechnung schon bei weitem nicht mehr so günstig aus. Und
Vergleiche mit den teureren Dieseln bleiben oft gleich komplett aussen
vor. Das kann aber jeder selbst ausprobieren, einfach mal den
Konfigurator des jeweiligen Herstellers anwerfen. Oder z.B. beim ADAC
die Vergleichsberechnungen aufrufen. Man kann natürlich immer noch
argumentieren, "den ganzen Luxus brauche ich nicht, das ist mir zu teuer". Richtig, aber individuell - der Durchschnittspreis sagt was anderes. Wobei interessanterweise das meiste Geld nicht für Sicherheit, sondern für Bequemlichkeit ausgegeben wird. Und das ist ganz etwas anderes als "Elektrofahrzeuge sind zu teuer".
Bleibt
noch ein Diskussionspunkt: "Aber die Batterie ist doch das teuerste
Teil. Was, wenn sie kaputt geht? Ist das nicht ein wirtschaftlicher
Totalschaden?" Definitive Antwort: nein! Es stimmt, die Batterie macht
heute je nach Fahrzeug ca. 1/3 des Gesamtpreises aus. Aber im Gegensatz
zu einem Motor beim Verbrenner stirbt eine Fahrbatterie nicht von heute
auf morgen. Was passiert ist, dass die Kapazität abnimmt. Das
Phänomen werden die meisten Leute von ihrem Smartphone kennen: mit der
Zeit wird die Laufzeit Akkus immer kürzer. Dieser 'Degradation' genannte Effekt trifft
auch Autoakkus. Das Schlimmste, was passieren kann ist somit, dass die
Reichweite am Ende nicht mehr zum eigenen Fahrprofil passt - fahrbereit
bleibt das Auto aber trotzdem. Zusätzlich sorgt der modulare Aufbau der
Akkus dafür, dass schadhafte Module einzeln ausgetauscht werden können.
Damit
das möglichst lange dauert, wird allerdings mit einem ausgefeilten
Batteriemanagement (BMS) gegengesteuert, um eine möglichst lange
Lebensdauer zu gewährleisten. 8 Jahre Garantie sind Standard, Lexus gibt
für das erste Fahrzeug sogar 10 Jahre. Tesla ist bisher der einzige
Hersteller, der eine entsprechend lange (Daten)Historie hat. Die
Erfahrungen dort zeigen, dass trotz hoher km-Leistungen und entsprechend
zahlreicher Hochstrom-Ladungen bisher fast keine Fahrzeuge unter die
80%-Grenze (der Originalkapazität) gefallen sind, die die Garantiegrenze
darstellen (die auch bei den meisten anderen Herstellern 8
Jahre/160.000 km beträgt). Einzelne Besitzer haben sogar schon die
Mio-km-Grenze erreicht. Somit steht zu erwarten, dass die Anzahl
Batterie'schäden' deutlich unter denen der Motorschäden bei Verbrennern
liegen wird, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat.
Links und Quellen:
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