Sonntag, 14. August 2022

Thema Batterie-Lebenszeit und -Recycling (1)


Zu den gängigen Vorurteilen, mit denen ich als Elektrofahrer gelegentlich konfrontiert werde, gehören in erster Linie zwei Punkte:

(1) "Der Fahrzeugakku geht doch bestimmt in zwei Jahren kaputt - und dann?"

(2) "Wohin dann mit den ganzen verbrauchten Akkus?"

 

Zunächst soll es hier nur um die Lebensdauer gehen, Recycling folgt in einem separaten Artikel. Als erstes sollte man verstanden haben, dass ein Akku praktisch nie 'kaputt geht'. 😏 Ein Verbrennermotor 'geht kaputt' und das Fahrzeug ist dann als Fortbewegungsmittel in dem Moment erst einmal komplett wertlos. Ein Akku dagegen verliert 'nur' über die Zeit an Kapazität - und irgendwann sinkt die zur Verfügung stehende Reichweite unter die, die ich mit meinem Fahrprofil benötige. Man spricht hier von 'Degradation'.

Das Fahrzeug kommt also nicht mehr so weit und wird vermutlich auch nicht mehr ganz so schnell beschleunigen, aber ansonsten ist es auch dann noch uneingeschränkt fahrbereit! Sozusagen der Punkt, an dem das Handy noch funktioniert, aber nicht mehr den ganzen Tag durchhält. 😮

Praktisch alle Fahrzeughersteller geben zwar unterschiedliche, aber umfangreiche Garantien auf den Akku. 👈 Die sehen im Allgemeinen so aus, dass eine Kapazität von 70-80% der Anfangskapazität nach 8 Jahren/160.000 km garantiert wird. Einige Hersteller geben höhere Prozente, manche bis zu 10 Jahren, aber das ist so der derzeitige Standard. Wie das funktioniert und warum der Vergleich einer Fahrzeug-Antriebsbatterie mit einem Handyakku in die Irre führt, soll hier etwas ausführlicher erklärt werden. Und wie weit man eigentlich damit insgesamt fahren kann. 💥

1) Alterung durch Nutzung beim Laden:

Zunächst einmal muss man wissen, dass die Lebensdauer eines (beliebigen) Akkus in Ladezyklen gemessen wird. Ein Ladezyklus besteht dabei aus einer Aufladung von 0-100%. Zwei Aufladungen von z.B. 25-75% (=50%) und 40-90% (=50%) ergäben das Äquivalent von einem Zyklus. Die derzeitigen Technologien sehen dabei zwischen 1.500 und 2.000 Ladezyklen als normale Lebensdauer. Hinweis auch hier: der Akku ist danach nicht kaputt, sondern 'nur' in seiner Kapazität beschränkt. Das Handy hält nicht mehr den ganzen Tag, das Auto schafft weniger Kilometer und beschleunigt etwas langsamer.👈

Die meisten Menschen fahren ihre Handyakku sehr weit herunter (unter 10%) und hängen ihn dann an ein Ladegerät, dass auch noch Stunden angeschlossen bleibt, nachdem der Akku wieder auf 100% ist. Alles daran ist schlecht: die Belastung bei niedrigem Akkustand, die lange Ladung, das Aufladen auf 100% (besonders mit hoher Leistung) und der Verbleib am Ladegerät nach Erreichen der 100% ebenfalls. Es ist zufallsbedingt, wie gut die Handyhersteller versuchen, hier positiv einzuwirken. Leider haben sie ein Interesse, dass die Geräte möglichst schnell ersetzt werden. 😖 Das äussert sich dahingehend, dass es praktisch keinerlei Batteriemanagementsysteme (BMS) gibt. Ein geringfügigeres Problem ist bei Handys dagegen die Nutzung und das Laden bei extremen Temperaturen.

Die Autohersteller dagegen tun durch ausgefeilte BMS und andere Massnahmen alles, damit der Akku länger hält. [Anmerkung: frühe Elektrofahrzeuge wie die erste Version des Nissan Leaf, Renault Zoe und anderer Modelle bis etwa 2016 hatten kein BMS und haben darum hier Probleme]. BMS ermöglichen die Begrenzung der Ladeleistung auf unter 100% (empfohlen sind 80%) und bei Schnellladungen sagt das Auto dem Lader, wieviel Strom akkuschonend fliessen darf. Dabei kann normalerweise der Akku  während des Ladens gekühlt oder beheizt werden. Und selbstverständlich gibt es Empfehlungen: den Akku nicht zu weit leer zu fahren (idealerweise nicht unter 20%) und möglichst langsam zu laden (Wechselstrom am Stadt- oder Schukolader). Diese Vorgänge werden auch vom Bordcomputer protokolliert, weswegen dieses Protokoll das zentrale Element bei zukünftigen Gebrauchtwagenkäufen werden dürfte. Daneben stehen heute den Herstellern verschiedene Akkutechnologien zur Verfügung, um diesen z.B. besonders hochladefest zu machen. Zusätzlich gibt es auch noch Schutzpuffer, d.h. 0% Anzeige sind nicht 0% und 100% sind nicht 100% - ein Fahrzeugakku wird nie wirklich total voll oder leer, sondern nur der freigegebene, nutzbare Teil. 😅

 

2)  Kalendarische Alterung:

Ein Akku verliert über die Jahre (!) auch an Kapazität, wenn man ihn nicht nutzt. Bei Handyakkus merkt das kaum jemand, da sie vorher oft gewechselt werden. Wer aber z.B. einen Akkurasenmäher hat, kennt das: nach ein paar Jahren muss ich den Akku plötzlich 2x aufladen statt 1x, um dieselbe Fläche fertig zu bekommen. Oder der eigentlich selten benutze Akkuschleifer gibt schneller auf.

Man kennt das auch von Verbrennern: 20 Jahre in der Garage, dann sind die Reifen weggebröselt, auch wenn der Wagen keinen Meter bewegt wurde. 💥 Bei Fahrzeugakkus gibt es noch keine wirklich langfristigen Zahlen, wie ein rein kalendarischer Nutzungsverlust aussieht. Der Grund ist, dass diese Fahrzeuge genutzt werden, z.T. sogar recht intensiv. Um aber so eine Untersuchung anstellen zu können, bräuchte man einen Scheunenfund, bei der ein Elektroauto 10 Jahre irgendwo nur herumstand. So etwas gibt es aber noch (?) nicht. Was sich sagen lässt ist, dass sich die Alterung des Akkus beschleunigt, wenn man z.B. auf 100% lädt und dann das Fahrzeug -womöglich bei Kälte- wochenlang herumstehen lässt, ohne es zu benutzen. Darum empfehlen die meisten Hersteller eine Ladung nur auf 100%, wenn das Fahrzeug dann auch kurzfristig (etwa am nächsten Tag für eine Urlaubsfahrt) genutzt werden soll. Und natürlich sollte man den Akku nicht nicht nach jeder Fahrt zum Bäcker auf 100% nachladen; es tankt ja auch kein Mensch einen Verbrenner nach, wenn der Tank noch 95% voll ist.

 

3) Alterung durch Zyklen:

Zusammen mit den vorhergehenden Abschnitten ergibt sich auch die mögliche Nutzungsreichweite. Als Beispiel sollen hier die vorhandenen Akkus von ID.3 Pro (58 kWh) und Dacia Spring (27 kWh) dienen. Allgemein geht man wie gesagt von etwa 1.500-2.000 möglichen Ladezyklen aus. Nimmt man -sehr konservativ- an, das nur 1.000 Ladezyklen möglich sind, bevor das persönliche (!) Nutzungsprofil einen sinnvollen (!!) Betrieb nicht mehr zulässt, ergeben sich folgende Zahlen:

ID.3: 58 kWh Kapazität, 20 kWh/100 km Verbrauch: 290 km/Zyklus * 1.000 = 290.000 km Reichweite
Dacia Spring: 27 kWh, 13,5 kWh/100 km Verbrauch * 1.000 = 200.0000 km Reichweite

Wie gesagt: sehr, sehr konservativ gerechnet. Geht man weniger pessimistisch von mindestens 1.500 Zyklen aus, kommt man auf 300.000 - 450.000 km. Die durchschnittliche Jahresleistung beträgt in Deutschland unter 15.000 km pro Jahr, wodurch sich (290/15 bzw. 200/15) knapp 20 Jahre (ID.3) bzw. 13 Jahre (Spring) Laufzeit ergeben. Man erreicht somit locker die Leistungen, die auch ein Verbrenner schafft. Tatsächlich gehen übrigens manche Schätzungen von bis zu 5.000 (!) Zyklen aus. Somit dürfte für die weitaus meisten Benutzer insgesamt die kalendarische Alterung am Ende die Hauptrolle spielen. Ausreichende Daten der kalendarischen Degradation werden aber wohl erst in einigen Jahren vorliegen.

Weiter zum Teil 2: Link

Links:

Batterielebenszeit THU München: Link
Haltbarkeit von Fahrzeugakkus: hier im Blog (Link)
Recycelte Akkus für Rohstoffe: Link
Rohstoffförderung für Akkus: Link
Geotab Untersuchung, 6.000 Fahrzeuge: Link 
Gedanken zur Degradation, Youtube-Video: Link

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