Den meisten Leuten ist Elektrotechnik eher fremd, sie haben daher gewisse Berührungsängste, und sobald die Rede auf Ladeleistungen und Kilowatt (kW) kommt, fühlen siesich abgehängt. Das muss nicht sein, das notwendige Basiswissen ist auch ohne technische Vorkenntnisse erreichbar. 😅 Dieser Artikel soll das erklären, sodass danach die Zusammenhänge klar sind.
Die Themen sind hier überschaubarer, als man denkt: Netzspannungen, Phasen, Gleich- und Wechselstrom. Dazu etwas Rechnen, das war es auch schon. Wie geht das also?
Zunächst einmal muss man Haushaltsstrom (Wechselstrom, AC) und
Industrie-Gleichstrom (DC) unterscheiden. Wissen muss man erst einmal
nur, dass alles, was man zu Hause oder aus öffentlichen Kleinsäulen
laden kann, Wechselstrom ist. Und dass die Ladung mit Wechselstrom recht
langsam erfolgt. Den wesentlich schnelleren Gleichstrom bekommt man nur
in Verbindung mit spezieller, vergleichsweise teurer Ladetechnik. Die
meisten Stationen dieser Art stehen an Autobahnen. Wie die verschiedenen
Stationen aussehen, kann man in Teil 3 (Link) nachlesen.
Generell sollte man noch wissen, dass bei Wechselstromladungen die Ladeverluste höher sind, aber dafür der Fahrakku durch die wesentlich langsamere Ladung geschont wird. Ein hoher Anteil an Wechselstromladungen verlängert somit die Akkulebensdauer. Dies ist auch der Grund, weshalb im Fahrzeug ein Protokoll über die Anteile von AC- und DC-Ladungen geführt wird. Dieses kann ausgelesen werden und die Werte werden sicher beim Gebrauchtkauf in Zukunft eine grössere Rolle spielen.
(1) Wechselstrom
Zunächst zum Wechselstrom und der Frage, wie die Ladeleistungen zustande kommen. Die Rechung ist relativ einfach: Spannung x Stromstärke = Ladeleistung. Setzt man hier die Werte einer gängigen Hausinstallation ein, erhält man 230 V x 16 A = 3.680 W = 3,7 kW. Dies ist also das, was mit einer Haushaltssteckdose (Schuko) erreichbar ist. Ohne spezielle Ladedosen und Zuleitungen sollte man für den nötigen Dauerbetrieb aber nicht über 10 A (2.300 W = 2,3 kW) hinausgehen.
Um diese Sache etwas komplexer zu machen, muss man wissen, dass in Mittel- und Nordeuropa das Netz dreiphasig ist. Wie das funktioniert, ist hier nicht weiter relevant. Die oben genannte Zahl gilt jedoch für eine Phase. Ausserhalb dieser Zone -im Rest der Welt- sind die Netze immer nur einphasig. Dies ist auch der Grund, warum viele Importfahrzeuge am Wechselstrom nur einphasig laden können: der Rest der Welt kann mit der nötigen dreiphasigen (teureren) Bordelektronik gar nichts anfangen.
Neben dem Haushaltsstrom kann man schneller mit Drehstrom (Kraftstrom) auf höhere Leistungen kommen; wenn man theoretisch dreiphasig lädt, ergibt sich daraus 230 V x 16 A x 3 = 11.040 W = 11 kW. Diesen Strom bekommt man aber nicht an einer Haushaltssteckdose, sondern an einer (roten oder blauen) CEE-Industriesteckdose. Viele Leute kennen das wahrscheinlich vom Campingplatz (blau) oder Betriebshof einer Firma (rot). Derartige Steckdosen kann man sich auch privat installieren lassen. Sie müssen wegen des erforderlichen Leitungsquerschnittes aber i.d.R. direkt vom Verteilerkasten abgenommen werden.
Diese Leistung ist aber noch steigerbar, denn Drehstrom kann man bis auf 32 A absichern. Dann ergibt sich 230 V x 32 A x 3 = 22.080 W = 22 kW. Diese Leistung bekommt man aber nicht ohne weiteres für zu Hause. Der Unterschied zwischen 11 und 22 kW ist, dass man die Einrichtung einer 11 kW-Station dem Netzbetreiber nur melden muss. 22 kW sind dagegen genehmigungspflichtig. In der Praxis ist das zurzeit meist irrelevant, denn die weitaus meisten Fahrzeuge können Wechselstrom nur mit maximal 11 kW laden. Dazu kommt, dass zwischen November 2020 und Mitte 2021 ein Förderprogramm der KfW für private Wallboxen lief. Dieses förderte aber nur Wallboxen mit einer Leistung von 11 kW.
Öffentliche 'kleine' Ladesäulen ohne eigenes Kabel können normalerweise bis zu 22 kW liefern. Was effektiv geladen wird, bestimmt aber wieder das BMS. Grundsätzlich gilt: die eingestellte Ladeleistung wird so lange geliefert, bis die eingestellte maximale Füllmenge erreicht ist. Die Leistung ist dabei über die gesamte Ladezeit immer gleich hoch. Darum kann man die Ladedauern auch ziemlich leicht berechnen. Einige Beispiele:
- An einer Schukodose mit 3,7 kW kann man in 6 Stunden etwa 22 kW laden. Bei einem 44 kWh-Akku wären das etwa 50%, bei einem 58 kWh Akku (ID.3 Pro) etwa 38% der Kapazität.
- An einer 11 kW-Ladung (Wallbox oder öffentlich) bekommt man dieselben 22 kW/Prozente in 2 Stunden.
Wer das anhand eigener Daten ganz genau errechnen will, findet dazu im Teil 1 zur eigenen Stromtankstelle (Link) eine Excel-Tabelle zum Selberrechnen als Unterstützung.
(2) Gleichstrom
Gleichstromlader sind für private Nutzer normalerweise keine (Kauf)Option, dazu ist die Technik zu teuer; sie beginnt im hohen 5-stelligen Bereich nur für die Station und man benötigt einen Anschluss an das Mittelstromnetz. Auch für Vielfahrer kann sich das nie ammortisieren. Diese Stationen, auch HPC (High Power Charger) oder schlicht Schnelllader genannt, zeichnen sich normalerweise durch die folgenden Eigenschaften aus:
- Sie laden mit mindestens 50 kW (Maximum ist derzeit etwa 400 kW).
- Sie haben fest installierte Ladekabel (bei hoher Leistungsabgabe müssen diese aktiv gekühlt werden).
- Sie stehen derzeit fast ausschliesslich an Autobahnen (wo die Lade-/Standzeit eine grössere Rolle spielt und sie wegen des Durchlaufes schneller wirtschaftlich sind). In städtischen Bereichen sind sie bisher die Ausnahme, da hier die Standzeiten im Schnitt wesentlich länger sind. Hier finden sie sich bisher hauptsächlich an Orten mit eher schnellerem Durchlauf, etwa Tankstellen, Schnellrestaurants oder grossen Supermärkten. Alle Bereiche rüsten derzeit auf.👍
Begrenzer ist auch an einem HPC die Ladeelektronik des Fahrzeuges. Während die HPC wie beschrieben heute bis 400 kW liefern können, begrenzen die Batterie-Managementsysteme (BMS) der Fahrzeuge die Leistung zum Schutz der Fahrbatterien. Es gibt dabei zwei Kenngrössen: die maximale und die tatsächliche Ladeleistung. Dabei gilt die Faustregel: je kleiner der Akku, desto geringer sind beide Werte. Einem 20 kWh-Akku würde eine 'Druckbetankung' von 100 kW schaden, für einen 90 kWh-Akku ist das eigentlich schon zu wenig.
Grundsätzlich schwankt die Ladeleistung bei Schnellladung über die Ladezeit und spiegelt sich in einer so genannten Ladekurve wider. Die Steuerung übernimmt das BMS des Fahrzeuges. Die Kurve sieht bei den meisten Fahrzeugen so aus, dass die maximale Leistung in Bereichen etwa zwischen 10 und 60% Akkustand erreicht werden kann, wenn die Aussenbedingungen stimmen. Ab spätestens etwa 80-85% sinkt diese Leistung aber stark ab, weswegen eine weitere Ladung zeitlich meist nicht sinnvoll ist.
Eine Beispielrechnung wie für Wechselstrom ist für Gleichstrom darum relativ schwierig. Zu gross sind die Abhängigkeiten von Umgebungsbedingungen (Temperatur), Einstellungen im BMS und den installierten Säulen. Ganz global kann man als Momentaufnahme sagen, dass das Nachladen von 100 km momentan etwa mit 15 Minuten angesetzt werden kann. Bei kleinen Akkus (ungefähr <40 kWh) oder grösseren Akkus (etwa > 75 kWh) geht dies auch langsamer bzw. schneller. Eine bessere Ladeelektronik in teureren Fahrzeugen führt ausserdem ebenfalls zu höheren Geschwindigkeiten.
Wissen muss man auch, dass die meisten Hersteller (ausser Tesla) noch keine validen Daten bezüglich der Akkulebensdauer haben. Daher sind ihre BMS zurzeit eher konservativ programmmiert, d.h. sie laden langsamer als technisch möglich. Das wird sich vermutlich in naher Zukunft noch verbessern, sobald diese Daten vorliegen. Eine Ladeleistung beim ID.3 von 100 kWh auf 125 kWh (um 25%!) zu steigern, ist letztlich nur ein Parameter im BMS. [Ergänzung 2022: VW wird diese Anpassung mit dem nächsten Update vornehmen]
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