Sonntag, 28. Februar 2021

Elektromobilität 11 - Technische Unterschiede Batterieelektrische Fahrzeuge und Verbrenner

Dass Verbrenner und batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) technisch sehr unterschiedlich sind, dürfte den meisten Leuten grundsätzlich sicher klar sein. Wie gross die Unterschiede aber tatsächlich sind, wird vielen erst bewusst, wenn sie z.B. einen Blick unter die 'Motorhaube' werfen. Die immer noch so heisst, obwohl darunter beim BEV oft gar kein Motor zu sehen ist. 😉 Die Motoren (es sind meist mehrere) sind oft in der Nähe der Räder verbaut und durch allerlei andere Technik (z.B. Klimaanlage, Wischwasserbehälter, Steuermodule) verdeckt.

Damit ist es aber nicht getan, es 'fehlt' noch einiges mehr: Auspuff, Einspritzanlage, Katalysator, Kühler, um nur einige Höhepunkte zu nennen.😲 Im BEV gibt es dagegen noch das bekannt 12-Volt-Bordnetz, an dem alle Verbraucher hängen, die man auch bisher hatte: Radio, Beleuchtung, Zigarettenanzünder etc. Die 12V-Bordnetz-Batterie wird aber von der Fahrbatterie versorgt, da eine klassische Lichtmaschine ebenfalls nicht mehr existiert. Hier wird eine Umspannung benötigt, denn die Fahrbatterie läuft auf einer Spannung von 400V (in manchen Fahrzeugen der Oberklasse mittlerweile auch 800V, da dies höhere Ladegeschwindigkeiten am Schnelllader ermöglicht).

Eine gerne gestellte Frage ist die nach dem Frontkofferraum (auch 'Frunk', von 'Front-Trunk') und warum nicht jedes BEV einen hat. Die Antwort lautet: dies ist oft eine Entscheidung der Konstrukteure, wofür sie den gewonnenen Platz im Motorraum nutzen wollen. Mehr Platz im Innenraum -speziell für die Passagiere im Fond- ist oft eine Wahl. Gelegentlich wird aber auch variiert, im ID.3 wurde ein Teil einem wesentlich geringeren Wendekreis geopfert. Beide Ergebnisse darf man zu den grossen Stärken dieses Fahrzeuges zählen. 😎

Dafür muss in einem BEV immer der Fahrakku untergebracht werden. Standard ist heute flach unterhalb des Fahrgastraumes zwischen den Achsen. Um die Bodenfreiheit zu gewährleisten, muss ein BEV darum immer etwas höher gebaut sein. Das ist führt aber nicht zu höherer Wankneigung, das Gewicht des Akkus bringt einen sehr niedrigen Schwerpunkt und lässt jeden BEV auf der Strasse liegen wie ein Brett. Sicher kann man auch einen BEV zum Überschlagen bringen oder damit aus der Kurve fliegen. Es dauert aber länger und ist viel schwieriger als beim Verbrenner. 💢

Ein weiterer Vorteil des BEV ist das Drehmoment. Während ein Verbrenner aus Gründen der Anzugskraft und der Ökonomie möglichst immer in bestimmten Drehzahlbereichen gehalten werden sollte (ansonsten zieht er schlecht, wird sehr laut und/oder verbraucht sehr viel), steht das maximale Drehmoment im BEV schon bei 0 (Null) Umdrehungen zur Verfügung. Deswegen wird auch kein klassisches Getriebe mehr benötigt, die Beschleunigung ist dadurch immer gleich - nämlich maximal. 😆

Beachtenswert ist auch die Wiederauferstehung von Technik, die Viele sicher als veraltet oder ausgemustert wähnten: Heckantrieb und Trommelbremse feiern ihre Rückkehr in den PKW-Serienbau. Heckantrieb, weil dank hoher Drehmomente im BEV der Reifenverschleiss mit Frontantrieb extreme Formen annehmen kann. Und Trommelbremsen sind besser gegen Witterungseinfluss geschützt. Wichtig, wenn man die Bremsen dank Rekuperation so wenig benutzt. Ausgemustert wurden sie einst, weil Scheibenbremsen wartungsfreundlicher sind. Bei den stark verlängerten Wartungsintervallen der BEV und der wesentlich geringeren Bremsabnutzung wegen der Rekuperation ist das heute aber kein Argument mehr.

BEV haben auch bestimmte Ausstattungsmerkmale serienmässig, die man beim Verbrenner normalerweise extra bezahlen muss. Dazu zählen Stand- und Sitzheizung bzw. Vorklimatisierung. Vorrangiger Grund ist hier nicht die Bequemlichkeit der Passagiere, sondern die Schonung des Akkus. Der arbeitet am besten innerhalb bestimmter Temperaturbereiche (ca. 15-35 Grad), weswegen er speziell im Winter (aber auch im Hochsommer) klimatisiert wird. Dafür sorgt das Batterie-Management-System (BMS). Damit nun der Akku z.B. im Winter nicht in sehr kaltem Zustand -wie wir gerade im Februar 2021 in Norddeutschland wieder erfahren haben, ist das möglich😉- durch starke Ent- oder Aufladung altert, sorgt das BMS für eine Aufwärmung sowohl von Akku wie auch Passagierkabine. Damit das nicht zu sehr zu Lasten der Reichweite geht, kann man normalerweise den Vorgang zeitlich steuern und dafür sorgen, dass die Energie gegebenenfalls nicht aus dem Akku, sondern der Steckdose kommt. Ein Elektromotor erzeugt -im Gegensatz zum Verbrenner- keinerlei nennenswerte Abfallwärme. Darum benötigt ein BEV eine separate Heizung (im Prinzip ein Heizlüfter). Das verbraucht zusätzliche Energie, ist aber effizient und geht sehr, sehr schnell. Viel schneller als im Verbrenner. Die Sitzheizung dazu verbraucht nur etwa 1/10 der Energie der Heizung und sorgt dafür, dass sich die Passagiere auch schon bei niedrigeren Temperaturen wohlfühlen. Analog ist natürlich auch eine Vorkühlung durch die Klimaanlage möglich.

Ein weiteres Teil aus diesem Komplex ist auch die Wärmepumpe. Diese gibt es nur beim BEV, ist meist optional und kann die Reichweite verlängern, sofern der Temperaturunterschied zwischen Innen- und Aussentemperatur nicht zu gross ist, also etwa von 5-15 bzw. 35-40 Grad. Diese Technologie ist steuerungstechnisch aber noch nicht ausentwickelt. Weil sich Wärmepumpen aber im Gegensatz zu Software nicht gut nachträglich einbauen lassen, sollte man sich eine Anschaffung trotzdem überlegen.

BEV sind im Allgemeinen schwerer als Verbrenner. Sehen kann man das gut an Plattformen, die sich Verbrenner und Elektromodelle (noch) teilen. Z.B. der Hyundai Kona: Verbrenner 1.430 kg, Hybrid (mild) 1.470 kg, Elektro 1668 kg. Die Elektroversion wiegt also über 15% mehr. Beim SUV nicht unbedingt nur ein Nachteil, denn die schwere Fahrbatterie sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt, der die oft sonst so typische Kopflasigkeit dieses Typs verschwinden lässt. Der Haken bei einer geteilten Plattform -wie in diesem Fall- ist allerdings, dass auch die Elektrovariante Frontantrieb und damit einen deutlich höheren Reifenverschleiss hat. Reine Elektroplattformen setzen daher überwiegend auf Heck- oder Allradantrieb.

Eine andere Technik des BEV, die nur die Hybrid- unter den Verbrennerfahrern kennen, ist die Rekuperation. Dies beschreibt die Energierückgewinnung beim Verzögern. Damit ist nicht nur das Bremsen gemeint, sondern auch das 'Vom-Gas-gehen'. Alle BEV haben (wie Hybride) ein mehrstufiges System, diese Verzögerung zu verstellen. Vom 'Segeln' bis zum 'Fahren mit einem Pedal' (=Bremsen bis Stillstand) ist je nach Modell so ziemlich alles möglich. Für ein BEV ist das eine wichtige Funktion, denn die Rekuperation bringt ca. 60% der Beschleunigungsenergie zurück. Je nach Art der Strecke und Fahrweise kann die Rekuperation einen wichtigen Anteil an der Aufladung des Fahrakkus darstellen.

Aus den höheren Gewichten und der Rekuperation resultiert auch eine verglichen mit Verbrennern relativ hohe Leistung der Motoren bei BEV. Dazu muss man zwei Dinge wissen. Erstens stellt die Angabe in den Papieren die Maximalleistung dar - nicht die Dauerleistung; die ist wesentlich geringer. Zum anderen wird diese Leistung primär nicht zur Beschleunigung gebraucht, sondern um Energiespitzen während der Rekuperation aufzufangen. Diese Energie würde ansonsten verloren gehen.

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