Sonntag, 7. Februar 2021

Elektromobilität 10 - Öffentliches Laden, Ladekarte und Ladeapp

Einer der letzten auszumerzenden Schwachpunkte der Elektromobilität betrifft den Ladevorgang. Dazu muss man wissen, dass Tesla das vorexerziert, was eigentlich Standard in der Industrie sein sollte: Lader anfahren, Kabel einstecken, fertig. Säule und Fahrzeug regeln direkt den Rest miteinander, Dokumentation des Ladevorganges bzw. Abrechnung erfolgt papierlos per App oder Mail. Möglich ist dies, weil die Ladekabel auch Daten übertragen können und mindestens im Fall der Schnelllader auch müssen. Soweit der Ponyhof in Idealhausen. 👅

Für den ganzen Rest herrscht allerdings Anfang 2021 noch Wildwest. 💣Man kann das vergleichen mit der Situation auf dem Mobilfunkmarkt vor dem Jahr 2000. Hauptgrund ist die Identifikation an der Ladestation, mit der diese freigeschaltet werden muss. Praktisch alle Ladesäulen könnten dazu EC-/Kreditkarten nutzen, aber sie tun es zurzeit (noch) nicht. Der Gesetzgeber ist dabei, das zu ändern; die Änderung soll angeblich auch noch dieses Jahr greifen, aber bisher sieht die Welt leider anders aus: jeder macht, was er will und nimmt dafür wieviel er will. 😡Wie funktioniert das?

Es gibt momentan 2 Möglichkeiten, wie man sich gegenüber einer Ladesäule identifizieren kann:

(1) Die Ladekarte

Die meisten Ladesäulen (vor allem ältere Modelle) haben einen RFID-Leser. Der Benutzer hat von einem (oder mehreren) Anbieter(n) eine Ladekarte bekommen, die er an den Leser hält. Das Verfahren funktioniert wie im Supermarkt. Die Karte enthält die Daten des Benutzers, des Fahrzeugs und der Zahlungsweise. Das ist recht einfach, hat aber auch verschiedene Nachteile:

- Die angefahrene Säule muss die Karte akzeptieren. Trotz Roamingabkommen nimmt nicht jede Säule jede Karte, weswegen bis vor ein paar Jahren mehrere Karten für jeden Elektromobilisten praktisch Pflicht war. Heute ist die Situation bezüglich der Versorgungssicherheit weniger angespannt, es findet sich eigentlich immer eine passende Säule.

- Aber Roaminggebühren und undurchsichtige Preismodelle können einem zurzeit noch ganz schön auf den Senkel gehen. 😓 Ausser dem (verständlichen) Modell 1 kWh=€ x,xx gibt es noch Modelle nach Zeit (1 Minute=€ x,xx), Pauschaltarife (1x beliebig füllen=€ x,xx) und Blockiergebühren (kWh plus € x,xx/Minute nach x Stunden).

Klingt gruselig, ist auch gruselig. 👾 Immerhin hat der Gesetzgeber im ersten Schritt schon mal dafür gesorgt, dass einem die Gebühren im Vorwege und nach Beendigung angezeigt werden müssen. Das war nicht immer so!

Dazu kommt, das die Ladekarte wohl in absehbarer Zeit ausstirbt. Spätestens, wenn EC-/Kreditkarten akzeptiert werden, ist das vorbei. Kommentare (nicht nur) aus der Enegieindustrie deuten darauf hin, dass die Ladekarte nur noch existiert, um nicht so technikaffine Interessenten an neuen Elektrofahrzeugen nicht übermässig zu erschrecken.

(2) Die Ladeapp

Die modernere Variante löst die Ladekarte allmählich ab. Im Gegensatz zu RFID-Lesern haben alle Ladesäulen einen QR-Code. Der ist sehr billig anzubringen und zu ändern (wenn sich der Betreiber ändert). Der Benutzer braucht ein Smartphone und eine passende Ladeapp. In der App werden alle Funktionen zusammengeführt, auch solche, die die Ladekarte nicht bieten kann: die Zahlungsinformationen sind hinterlegt, die Ladevorgänge werden dokumentiert, freie Säulen und Ladetarife angezeigt. Der Benutzer ruft die App auf und nutzt deren Barcodescanner, um die Säule freizuschalten; alle notwendigen Daten werden durchgereicht und der Ladevorgang kann beginnen. Die Hauptnachteile:

- Man muss Smartphone mit funktionierender (!) Internetverbindung haben.

- Jeder Appbetreiber (es gibt einige) muss Geld für den Betrieb aufschlagen und kooperiert mit unterschiedlichen Säulenbetreibern unterschiedlich gut, was sich in z.T. drastischen Preisdifferenzen niederschlägt. Wer viel unterwegs ist, sollte daher mehrere Apps auf dem Handy haben, um an günstigere Preise zu gelangen.

- Besonders das sogenannte 'Ad-Hoc-Laden' (Laden, ohne dass man beim angefahrenen Säulenbetreiber direkt ein Konto hat) kann etwas teurer werden.

- Wer nur lokal/regional unterwegs ist, kann oft mit seinem regionalen Energieversorger viel Geld sparen. AC-Laden an entsprechenden Säulen in Nienburg kostet zurzeit (02/2021) bei Nienburg Energie 40 ct/kWh ohne Standbegrenzung. Mit einem Konto beim Betreiber wären es 48 ct/kWh und ab 2 Stunden Blockiergebühren, für Ad-Hoc-Lader mit Plugsurfing wären 49-60 ct/kWh plus Blockiergebühr fällig.

An diesen Beispielen sieht man, dass die Zahlung per EC-/Kreditkarte zwingend überfällig ist. Mit 10 Ladekarten in der Tasche herumzulaufen, ist was für Fanatiker der ersten Stunde, aber nicht für den normalen Autofahrer. Wenn dann noch im nächsten Schritt die Roaminggebühren reguliert werden, ist ist der Westen gezähmt.

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