Sonntag, 29. Mai 2022

Erfahrungsbericht Dacia Spring: Reichweite und Fahrprofil im Detail

Wie der ideale Anforderungskatalog an ein Fahrzeug aussehen sollte, um sich für einen Dacia Spring zu entscheiden, wurde hier ja schon in zwei Artikeln beleuchtet (Links am Ende). Und das ein so günstiges Fahrzeug grundsätzlich kein Reichweitenwunder darstellt, dürfte wohl auch jedem sofort einleuchten. Somit soll hier aufgezeigt werden, wie der Aktionsradius unter realistischen Ausgangsbedingungen tatsächlich aussieht. 👆 Den wenigsten Leuten ohne Elektro-Erfahrungen ist sofort klar, dass die Batteriegrösse (beim Spring mit 27 kW knapp halb so gross wie die des ID.3 Pro) nur einen Teilaspekt darstellt. Es gibt andere Faktoren, die genauso wichtig sind, aber einen Blick in die technischen Details erfordern. Explizit sind dies generell:

  • Die Ladegeschwindigkeit am Schnelllader (DC, theoretisch bis 350 kW, üblich 100-150 kW)
  • Die Ladegeschwindigkeit am Stadtlader (AC, theoretisch bis 50 kW, üblich 11 kW)
  • Die Ladegeschwindigkeit an der eigenen Wallbox (AC, theoretisch bis 22 kW, üblich 11 kW)
  • Die Ladegeschwindigkeit am Schukolader (AC, theoretisch bis zu 3,7 kW, üblich 2,3 kW)
  • Der Verbrauch (!!)

Zunächst einmal die tatsächlichen Fähigkeiten des Spring als Gegenpart zu der obigen Liste:

  • Am Schnelllader bis 30 kW (nur optional!)
  • Am Stadtlader oder Wallbox mit 6,6 kW
  • Am Schukolader bis 3,7 kW 

Hier sieht man sofort den Unterschied. Die Möglichkeiten aktuell verfügbarer Ladetechnik werden weder bei Wechsel- noch bei Gleichstromladung ausgenutzt. Doch warum ist das so? 😕 Und welche Auswirkungen hat das beim Fahren? Ein paar Antworten soll dieser Artikel geben.

Zunächst zu den Schnelladefähigkeiten des Spring. Diese sind ziemlich gering und man sollte sich gut überlegen, ob man die zusätzlichen €600 dafür ausgeben will. Links sieht man die Ladekurve. Selbst bei leerem Akku sind kaum die maximalen 30 kWh drin, ab 50% bricht die Ladeleistung weiter ein. Um zu bewerten was das bedeutet, benötigt man ein paar Zahlen. Zum Vergleich: der ID.3 mit seiner doppelt so grossen Antriebsbatterie schafft auf dem ersten Drittel bis zu 125 kW.

Nun muss man dazu wissen, dass kleine Akkus nicht so schnell geladen werden dürfen wie grössere. Massgeblich ist die Kapazität: 1 C(für Capacity) ist noch gesund bei jedem Akku, beim Spring wäre das eine Leistung von 27 kW, da der Akku 27 kWh Kapazität hat. 2,5 C wie beim ID.3 oder mehr geht nur, wenn der Akku speziell hochladefest gebaut wurde. Das ist teurer und darum wurde beim Spring vermutlich darauf verzichtet. Das ist aber auch nicht erforderlich, denn der Akku ist ja recht klein. Somit stellen sich hier die folgenden Fragen:

  • Wie weit kann man sinnvoll auf der Langstrecke fahren?
  • Wie weit kann man sinnvoll mit eigener Lademöglichkeit/Laden am Arbeitsplatz pendeln?
  • Wie weit kann man sinnvoll ohne eigene Lademöglichkeit/Laden am Arbeitsplatz pendeln?

Hinweis: am Ende des Artikels findet sich für eigene Zahlenspielereien wieder der Link auf die Exceltabelle mit der Möglichkeit, eigene Zahlen einzugeben. Hier werden aber schon einmal typische Beispiele diskutiert. Der Spring ist dabei ein erstaunlich effizientes Auto - es gibt zurzeit kein anderes Fahrzeug, das so einen niedrigen Verbrauch bietet. 😎 In der Stadt sind bis zu 300 km drin, über Land sicher 200+ km, lediglich bei Geschwindigkeiten über 110 km/h auf der Autobahn steigt der Verbrauch auf über 13 kWh, was in Reichweiten von unter 200 km mündet.

Zunächst zum einfachsten Fall, der Langstrecke (in einer Richtung). Der Spring bietet wie gesagt eine Reichweite von etwa 200+ km. Diese können erreicht werden, so lange das Streckenprofil nicht zu extrem wird. Wer gemütlich im Sommer über die Landstrasse fährt, sollte 200 km auch bei Tempo 100 locker schaffen. Im Winter, mit viel Autobahn und schlechtem Wetter würde ich mit 150 km kalkulieren. Unterstellt, man möchte nicht mehr als 30 Minuten mit Nachladen verbringen, sollte man in dieser Zeit etwa 50% nachladen können, das sind etwa weitere 100 km. Somit sind 250 bis maximal 300 km eine vernünftige Zielentfernung, darüber hinaus wird es wahrscheinlich für die meisten Leute von den Lade- und somit Wartezeiten grenzwertig. 😔

Auch den täglichen Pendelumkreis mit einer eigenen Lademöglichkeit (wahlweise zu Hause oder am Arbeitsplatz) zu berechnen, ist ziemlich einfach. Der Verbrauch für 50 km beträgt vielleicht 6,5 kWh oder weniger als 25% vom Akku. Das bedeutet entweder tägliches Nachladen mit einem 2,3 kW-Schukolader oder alle zwei Tage mit dem 3,7 kW-Schukolader/Wallbox. In diesen Fällen reichen 8 Stunden, den Akku wieder aufzufüllen. Rechnet man nun mit 75 km pro Strecke, reichen 8 Stunden mit 2,3 kW nicht mehr aus. Entweder man kalkuliert mehr Zeit ein (etwa 10,5 Stunden) oder lädt mit mindestens 3,7 kW. Mehr dazu in der verlinkten Tabelle am Ende.

Komplett ohne eigene Lademöglichkeit wird es schwieriger. Der Spring hat nur einen 1-Phasen-Onboardlader für Wechselstrom, d.h. von den 22 kW aus einem öffentlichen Stadtlader nimmt der Spring nur 6,6 kW. Selbst wenn man nur eine Strecke von 50 km fährt, ist das schon über eine Stunde an so einem Lader, hin und zurück für dann 100 km sind es 2,5 Stunden. Selbst, wenn man auf dem Rückweg kurz vor der Ankunft an einen Schnelllader kommt, verbringt man dort 30 Minuten - jeden Arbeitstag! 😖 Das dürfte für die meisten Leute inakzeptabel sein. Für diesen Fall muss zwingend eine öffentliche Lademöglichkeit wahlweise direkt vor Ort oder am Ziel vorhanden sein, an der man den Wagen kurzfristig abstellen bzw. abholen kann.

Fazit: Langstrecke ist relativ, aber bis etwa 300 km zumindest gelegentlich machbar; etwas mehr, falls man bereit ist, mehr Wartezeit zu investieren. Pendeln ist nur sinnvoll, wenn man eine eigene Lademöglichkeit hat oder eine öffentliche in fussläufiger Entfernung. Als reines Stadtauto auf der Kurzstrecke ist der Wagen allerdings kostenseitig nicht zu schlagen, es gibt derzeit keine anderen Fahrzeuge mit derart niedrigem Verbrauch auf diesem Sektor. Der Wagen verbraucht hier (gemessen) unter 11 kWh (13 kWh mit Ladeverlusten). Bei einem Preis von 30ct/kWh kosten 100 km dann etwa €4,00 (inkl. Ladeverluste), das ist speziell auf der Kurzstrecke mit keinem Verbrenner erreichbar.

Links:

Artikel 1: Anschaffung, Link
Artikel 2: Ausstattung, Link
Tabelle: Reichweiten und Pendelentfernungen, Exceltabelle zum Download: Link



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